Aktuell agieren in Deutschland ca. 670 eigenständige Genossenschaftsbanken mit einer durchschnittlichen Bilanzsumme von ca. 1,8 Mrd. Euro. In den letzten fünf Jahren hat sich diese Anzahl um etwa 140 verringert, was zu einem signifikanten Größenwachstum bei den verbliebenen bzw. fusionierten Banken (ungefähre
Verdopplung der Bilanzsumme) führte. Diese Konsolidierung wird sich angesichts des inzwischen chronischen Fachkräftemangels, steigender regulatorischer Anforderungen, der zunehmenden Wettbewerbsintensität durch Digitalisierung, einem „KI-Strukturbruch“ sowie sich wieder verschärfender Effizienzanforderungen in den kommenden Jahren fortsetzen. Das bedeutet für jedes Jahr zwischen 20 und 30 Fusionen. Was in dieser Statistik nicht ersichtlich ist, sind die zwar angestrebten aber letztendlich gescheiterten Fusionsvorhaben. Teilweise finden diese den Weg in die Medien, oft aber werden diese nach Abbruch der Verhandlungen „leise begraben“. CONFIDUM schätzt, dass mindestens gleich viele Fusionsvorhaben scheitern wie erfolgreich durchgeführt werden. Das bedeutet, dass ungefähr jedes zweite Vorhaben nicht umgesetzt wird! Auch wenn jedes dieser Projekte unterschiedlich und individuell ist, gibt es aus unserer Perspektive kritische Erfolgsfaktoren, die in der Projektarchitektur und im Projektmanagement zu beachten sind und in der Praxis über Gelingen oder Scheitern entscheiden
Genossenschaftliche Fusionen – zu beachtende Besonderheiten
Fusionen unter Genossenschaftsbanken unterscheiden sich insbesondere von Fusionen von Banken, die als Kapitalgesellschaften organisiert sind, durch
- Genossenschaften haben eine eigene Corporate Governance, welche sich wesentlich von Kapitalgesellschaften unterscheidet; im Mittelpunkt der Interessen der letzteren steht der „Shareholder Value“ der Eigentümer – dieser ist i.d.R. der entscheidende Maßstab zur Beurteilung und Umsetzung von Fusionsprojekten. Die „Corporate Governance“-Konstruktion bei Genossenschaften als Stakeholder-Organisationen führt dazu, dass unterschiedlichste Gruppen von Beteiligten mit verschiedenen und zum Teil konträren Sichtweisen miteinander agieren, deren Interesse nicht immer dem Gesamtinteresse der Bank und den strategischen sowie betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten folgen.
- in der Praxis sind die meisten Genossenschaftsbanken „Managerial Controlled“ – die Vorstände bilden in der Corporate Governance den Drehpunkt aller wichtigen Entscheidungen. Auch bei Fusionsprojekten liegen in der Regel Initiative und auch das Projektmanagement bei den Vorständen. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass die Vorstände das Bankinteresse in den Vordergrund stellen, trotzdem liegt es in der Natur der Sache, dass das Management nicht nur das abstrakte Interesse der Bank und ihrer Eigentümer verfolgt, sondern als Betroffene der Fusion befangen sind und auch ureigene Ziele verfolgen.
- Die gelebte Rolle der Aufsichtsräte ist vielfältig beobachtbar; sehr oft folgen Aufsichtsräte den Anträgen der Vorstände, aber es gibt auch Konstellationen, in denen vor allem Aufsichtsratsvorsitzende das „Machtzentrum“ der Bank bilden.
- Eine wichtige Rolle haben auch die Mitarbeiter, insbesondere die
Führungskräfte. Fusionen erfordern eine Neuaufstellung der
Führungsorganisation und sind damit immanent mit personellen
Veränderungen verbunden. Diese bieten Chancen aber auch Risiken, die dazu führen, dass Fusionsvorhaben auch kritisch gesehen werden. Das wird in den wenigsten Fällen offen kommuniziert (niemand möchte als Verhinderer gelabelt werden), vielmehr werden scheinbar sachliche Gründe, die gegen einen Zusammenschluss sprechen, gesucht und vorgeschoben. - Letztendlich entscheiden die Mitglieder bzw. die Vertreter über einen Zusammenschluss – dazu ist eine Zustimmung von mindestens 75 % der bei der Versammlung anwesenden Genossenschafter erforderlich. Da es im Unterschied zu Kapitalgesellschaften kein klar adressiertes und homogenes
Interesse gibt, können Mitglieder von unterschiedlichsten Stakeholdergruppen und deren Interessen beeinflusst werden.
Diese Eigenheiten sind dafür verantwortlich, dass die Entscheidungen über ein Fusionsprojekt bei Genossenschaften durchaus komplex sind – insbesondere, wenn ein Zusammenschluss von Banken angestrebt wird, die ähnliche Größen- und Stärkedimensionen aufweisen und auch ohne Fusion durchaus weiter bestehen könnten.