Sanierungsfälle im deutschen Genossenschaftssektor – Lehren und Lösungsansätze 

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Aktuell wird der deutsche Genossenschaftssektor durch mehrere Sanierungsfälle von regionalen Banken beunruhigt – diese Ereignisse haben ein großes mediales Interesse gefunden – allerdings ist die dort erfolgte Darstellung aus Sicht von CONFIDUM verkürzt und beinhaltet nicht immer die richtigen Schlussfolgerungen.

Das Gemeinsame, der in den Medien aufgeführten Fälle – VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden, Volksbank Dortmund-Nordwest und Volksbank Düsseldorf Neuss – ist, dass bei diesen Banken in kürzester Zeit ein Short-Fall im Eigenkapital eingetreten ist, der ohne rasche Rekapitalisierung eine Insolvenz ausgelöst hätte. Wären diese Banken nicht Mitglieder der genossenschaftlichen Finanzgruppe (GFG), so wäre wohl der Einlagensicherungsfall eingetreten, wie zuletzt bei der Sberbank Europa oder der Bremer Greensill-Bank. In der GFG ist neben dem gesetzlichen Einlegerschutz eine Institutssicherung in der Form eines sogenannten IPS („Institutional Protection Scheme“) nach Capital Requirements Regulation (CRR) Artikel 113/7 installiert. Diese hat zum Ziel, die Solvabilität und Liquidität der Institute jederzeit zu gewähr-leisten. Verantwortlich dafür ist die Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR); deren wichtigstes Instrument im Sanierungsfall sind Kapitalerhöhungen aus den dafür vorgesehenen sofort verfügbaren Mitteln, oft auch in Kombination mit einer Fusion. Insofern ist nicht zu erwarten, dass aus einem der aktuellen Fälle eine Insolvenz entstehen wird.

Ganz wesentlich ist die Fragestellung, ob es sich um singuläre Fälle handelt und ob sichergestellt ist, dass so etwas künftig verhindert werden kann. Dazu ist es aus der Perspektive CONFIDUM sinnvoll, die einzelnen Fälle zu analysieren und die richtigen Schlussfolgerungen daraus abzuleiten.

Die Volksbank Düsseldorf-Neuss – eine Regionalbank ohne besondere Auffälligkeiten – wurde in einen Betrugsfall verwickelt, der allerdings das interne Risikomanagement und die Compliance der Bank in einem ungünstigen Licht erscheinen lässt. Solche Fälle sind außergewöhnliche Ereignisse, die systemisch nicht ausschließbar sind und in den unterschiedlichsten Banktypen und Bankgruppen vereinzelt vorkommen.

Ganz anders fällt die Ursachenanalyse bei den beiden anderen genannten Banken aus. Diese sind Folgen der langanhaltenden Niedrigzinsphase beginnend mit der Finanzkrise 2008 bis zum jähen Zinsanstieg 2022. In diesem Umfeld hat sich die Zinsmarge der Banken – insbesondere auch der Regionalbanken – stark eingeengt. Die Folge war eine Diversifikation der Asset- Allocation vor allem durch starken Ausbau von Immobilieninvestments, aber auch ein verstärktes Kostenmanagement sowie eine deutlich ansteigende Zahl von Bankfusionen. So gab es 2008 in Deutschland noch 1.200 eigenständige Genossenschaftsbanken – aktuell sind es weniger als 700.

Das Geschäftsmodell nahezu aller dieser Banken stellt den genossenschaftlichen Gedanken, d.h. das regionale Kundengeschäft in den Vordergrund – im residualen Eigengeschäft werden konservative Investments getätigt.

Allerdings hat das Management vereinzelter Banken eine andere strategische Ausrichtung ver-folgt und das Geschäftsmodell teilweise massiv verändert. Anstatt in niedrig verzinstes regionales Kreditgeschäft zu investieren, wurden wesentliche Finanzierungen und Investments in alter- nativen Geschäftsfeldern getätigt. Sehr oft standen dabei Immobilien im Mittelpunkt, aber auch Investments in Fin-Techs oder Reisebüros lassen sich in dieser Palette finden. Nicht jeder dieser Fälle wird zum Problemfall – zum einen ist der Anteil der „neuen“ Geschäfte in einem noch ver-tretbaren Ausmaß, zum anderen gibt es auch Bankmanagements, die mit Risiken aus diesen Investments sachgemäß umgehen können. Trotzdem ist es möglich, dass noch der eine oder andere Sanierungsfall in der Zukunft auftreten kann. Es ist aber davon auszugehen, dass es sich um Einzel- bzw. Sonderfälle handelt – die gesamte Gruppe ist sehr solide aufgestellt und professionell geführt. Trotzdem ist festzustellen, dass auch Einzelfälle zu einer erheblichen Belastung der gesamten GFG führen können – vor allem angesichts der Tatsache, dass durch die fortschreitende Fusionswelle stetig größere Banken entstehen. Insofern stellt sich die Frage nach Strategien zur Verhinderung künftiger Sanierungsfälle.

Im Gegensatz zu den in öffentlicher Kontrolle stehenden Sparkassen sind Genossenschafts- banken private Unternehmen im Eigentum der Mitglieder – insoweit sind diese in der Wahl ihres Geschäftsmodells „nur“ durch die geltende Regulatorik beschränkt. Nachdem die Genossen-schaftsanteile im Durchschnitt ca. 900 EUR betragen, üben die Mehrheit der Mitglieder ihr Eigen-tumsrecht nicht bzw. nur sehr beschränkt aktiv aus. Aufgrund des Kopfstimmrechtes gibt es auch i.d.R. keine Gruppierungen von Mitgliedern (à la Aktionärsvertretungen), die aktiv Einfluss auf die Geschäftsausrichtung nimmt.

In der Corporate Governance ist es der Aufsichtsrat, der die Interessen der Mitglieder vertritt und für die Kontrolle der strategischen Ausrichtung verantwortlich ist. Dazu ist es für das Gremium erforderlich, das Geschäftsgeschehen eigenständig kompetent und fachkundig beurteilen zu können. Diese Verantwortung kann nicht an Dritte – insbesondere dem Prüfungsverband und der Aufsicht – delegiert werden. Die Aufsichtsräte der Genossenschaftsbanken sind zumeist bunt gemischte Organe, die i.d.R. die regionale Mitgliedschaft abbilden. Somit ist es für den Aufsichts-rat herausfordernd, die Geschäftspolitik eigenständig und mit spezifischer Bankexpertise zu beurteilen. Damit sind die meisten Genossenschaftsbanken das, was im Fachjargon „Managerial Controlled“ bezeichnet wird. Nun ist es schon so, dass die große Mehrheit der Vorstände mit viel Kompetenz und Bedacht das traditionelle und regionale Kundengeschäft in den Mittelpunkt der Strategie stellt. Aber es gibt Banken, deren Vorstände eine ganz andere strategische Ausrichtung wählen.

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