Das deutsche Privatkundengeschäft von Banken und Sparkassen befindet sich seit mehreren Jahren in einem grundlegenden Umbruch. Wesentliche Veränderungstreiber sind dabei die zum Teil disruptiven technischen Innovationen, die komplett geänderte Situation am Markt für Arbeits- und Fachkräfte, die anspruchsvoller werdenden Erwar-tungen der Kunden an ein bequemes, einfaches und zugleich kostengünstiges Banking, die ungewohnte Volatilität wichtiger Ergebnisparameter und nicht zuletzt die sich weiter verschärfenden regulatorischen Anforderungen z.B. zur Datensicherheit. Soweit – so bekannt.
Besonders für traditionelle deutsche Filialbanken mit einem entsprechenden Kosten- gerüst und Bedarf für Personal und Infrastruktur bedeuten diese Veränderungen konti-nuierliche Herausforderungen für das Geschäftsmodell „Privatkundengeschäft“.
Eine Fortführung von Cost-Cutting-Strategien der vergangenen Jahre mit einem radika-len Rückbau des Filialnetzes (nahezu Halbierung der Anzahl an personenbesetzten Bankfilialen in Deutschland in der letzten Dekade) sowie Abbau des Personals (Reduk-tion um ca. 20% in den letzten 10 Jahren) ist für die Zukunft zu wenig erfolgsver- sprechend. Das liegt daran, dass zum einen der Bodensatz an einer Mindestpräsenz in der jeweiligen Marktregion mit (personenbesetzten) Filialen zum großen Teil bereits erreicht ist und eine weitere Ausdünnung das eigene Selbstverständnis als „Bank vor Ort“ gefährden würde. Zum anderen ist im Kontext Personalgerüst eine „Mangelverwaltung“ an benötigtem Fachpersonal, um den Geschäftsbetrieb mit der selbstgesteckten Qualität aufrecht zu erhalten, an der Tagesordnung.
Zukünftiges Privatkundengeschäft – quo vadis?
Die Dachverbände der Sparkassenorganisation (DSGV) bzw. der Volks- und Raiffeisen-banken (BVR) empfehlen den jeweiligen Banken mit aktuellen Konzepten ein potenzial-differenziertes Vorgehen für die Weiterentwicklung des Privatkundenangebots:
DSGV:
In dem aktuell in Umsetzung befindlichen Konzeptupdate „Vertriebsstrategie der Zukunft 2.1“ wird den Sparkassen insbesondere eine stärkere Kundenzentrierung mit einem „echten“ multi- bzw. omnikanalen Betreuungsansatz und gleichzeitig verbessertem be-triebswirtschaftlichen Ergebnis empfohlen.
Kernhandlungsfelder, um dies zu erreichen sind:
- ein um Data-Analytics erweiterter Kundensegmentierungsansatz
- eine deutlich verbesserte Nutzung vorhandener Kundendaten im Rahmen der Kundenansprache und -beratung (Data Analytics)
- ein nach Kundenpotenzial differenziertes multikanales Beratungs- und Betreuungsangebot
- ein deutlich stärkerer Fokus bei der Gewinnung und Bindung junger Kunden
- ein (optimal empfohlener) ressourceneffizienter Teambetreuungsansatz
- ein effiktives Servicemanagement im Spannungsfeld einer Gewährleistung von gewünschter Servicequalität und erforderlicher Wirtschaftlichkeit sowie
- ein stationäres Netz an Service-& Beratungscentern mit empfohlenen Mindestgrößen, die eine vertriebliche Organisation gewährleisten.
BVR:
In einer ähnlichen Lesart stellt der BVR seinen Banken mit dem Vertriebskonzept Betreuungskunden („Wachstumsstrategie“) sowie Vertriebskonzept Servicekunden („Effizienzstrategie“) ebenso Handlungsempfehlungen zur Verfügung. Auch wenn sich die Segmentdifferenzierungen zwischen dem „roten“ und dem „blauen“ Sektor in Bezug auf Potenzial- und Servicekunden unterscheiden, sind die in beiden Lagern vorhandenen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen (i.d.R. signifikant defizitäres Ergebnis je Servicekunde sowie vorhandene und nur unzureichend erschlossene Ertragspotenziale bei den Betreuungs- bzw. Individualkunden) und die daraus abgeleiteten Stellhebel sehr ähnlich. Ein Wachstum soll gemäß BVR-Konzept insbesondere durch eine deutlich stärkere Berücksichtigung der Affinität für den jeweiligen Kommunikations- bzw. Interak-tionskanal der Betreuungskunden und einem adäquaten omnikanalen Beratungs- und Produktabschlussangebot erreicht werden. Eine weitere wesentliche Handlungsempfeh-lung zielt auf einen verbesserten Ressourceneinsatz der vorhandenen knappen Berater-kapazitäten ab. Unter dem Stichwort „vertriebsaktive Zeit“ bzw. „Netto-Marktzeit“ besteht für viele Banken weiterhin die Herausforderung einer organisierten „Entschlackung“ von nicht wertschöpfenden Verwaltungs- und sonstigen Tätigkeiten zu Gunsten von mehr Beratungszeit für Kunden in der Vertriebsmannschaft.
Die vom BVR postulierte Effizienzstrategie für die Servicekunden (mindestens 1/3 aller Privatkunden), die ebenso in den DSGV-Konzepten zu finden ist, stellt beide Sektorenvor eine ziemliche Herausforderung im Selbstverständnis. Konsens ist, dass das Service- und Betreuungsmanagement dieser Kunden mit einem begrenzten Ertragspotenzial in - der Zukunft deutlich wirtschaftlicher organisiert werden sollte. Wie genau dies gelingen kann, ohne dabei das Selbstverständnis als Mitgliederbank bzw. die Sicherstellung der Basisversorgung zu gefährden, ist aktuell ein Verprobungsfeld. Maßnahmenempfeh- lungen, wie wirksame preisgesteuerte Servicelenkung bis hin zur ausschließlich digitalen Servicierung, Substitution regelmäßiger personenbezogener Kundenkontakte durch anlassbezogene digitale Ansprachen sowie der forcierte Ausbau digitaler Selbstbera-tungs- & Abschlussstrecken, finden sich in beiden Konzepten wieder.
- Perspektive CONFIDUM: Reichen diese Maßnahmenempfehlungen für eine wetter-feste Zukunftsfähigkeit des Privatkundengeschäfts wirklich aus bzw. sind nicht Grundfeste der bisherigen Vertriebskonzepte in der Zukunft neu zu denken?
- These 1: Die bisherigen schablonenartigen Vorgehensweisen bei der Einteilung der Kun-den nach viel/wenig und kein Potenzial, deren genereller Affinität für Betreuungswege, Beratungsangebote sowie Produktwünsche (Segmentierung), ist in Anbetracht der Kun-denrealitäten nicht mehr zeitgemäß. Das vorhandene Wissen zum einzelnen Kunden und dessen aktueller Interaktionen mit der Bank (Data Analytics) ermöglicht ein Betreuungs-modell „Segment of One“, mit dem Ziel, in jedem Moment der Kundenbeziehung wirklich individuelle und maßgeschneiderte Angebote und Services anzubieten. Nur so kann die postulierte Kundenzentrierung erfolgreich gelingen.
- These 2: Das im Private Banking etablierte „Best Choice“-Produktangebot wird zukünf-tig auch im Privatkundengeschäft erforderlich sein. Dabei ist nicht eine Ausdehnung der einzelnen Produktvarianten und damit verbundener erhöhter Beratungskomplexität ge-meint, sondern eine passende Auswahl der jeweilig wettbewerbsfähigsten Produkte für die einzelnen Kundenbedarfe („Check 24-Prinzip“). Dies hat selbstverständlich Implikati-onen auf die Grundsatzfrage jeder Universalbank „Sind wir auch zukünftig Produzent und Vermittler?“.
- These 3: Das Idealbild einer ganzheitlichen bzw. genossenschaftlichen Beratung durch einen fest zugeordneten Berater(in) hat in den letzten Jahr(zehnten) sehr viel Kraft und Qualifizierungsbudgets gekostet. Bei einer nüchternen Umsetzungsanalyse stellen die Banken in der Regel fest, dass nur bei einem sehr geringen Anteil aller Privatkunden eine Durchdringung mit diesem Beratungsvorgehen gelungen und dabei auch die gewollte Ganzheitlichkeit oft kaum umgesetzt ist. Niedrige Produktdurchdringungen, z.B. im Sach- und Personenversicherungsbereich oder beim Vermögensaufbau mit Wert- papieren, sind dabei wesentliche Schmerzpunkte.