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Privatkundenbanking

Polarisierung von Einkommen, Sparen und Vermögen: Zentrale Heraus-forderungen für das Geschäftsmodell von Regionalbanken

1. Vorbemerkung

Das Thema Einkommens- und Vermögensverteilung ist in der medialen aber auch politischen Diskussion in fast allen europäischen Ländern sehr aktuell und mit dem Bestseller „Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty ist die Auseinandersetzung noch weiter verstärkt worden. Im Mittelpunkt steht vor allem die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, die von allen ideologischen und politischen Lagern sehr unterschiedlich und kontrovers gesehen wird. Faktum ist aber, dass diese Polarisierung inzwischen sehr bedeutend geworden ist und unabhängig, wie man diese Entwicklung beurteilen will, für Wirtschaftsunternehmen und insbesondere Banken eine ökonomische Realität darstellt. Eine entsprechende Rezeption dieses so wichtigen Einflussfaktors ist in den Strategien und den Geschäftsmodellen der meisten Regionalbanken noch nicht erfolgt. Die Gründe dazu sind sehr vielfältig, am Ende des Tages ist es aber vielfach eine Furcht des Managements, sich mit bisher wesentlichen und traditionell auch stark in der Identität der Institute verwurzelten Eckpfeilern wie Nahversorgung, Standorten, breite Produktangebote für jedermann einerseits, aber auch mit dem Leitsatz eines allumfassenden Cross-Sellings kritisch auseinandersetzen zu müssen. Nachfolgend zeigen wir die analytischen Grundlagen zu Einkommens-, Sparquoten- und Vermögensverteilung auf und beleuchten die Auswirkungen auf das Privatkundengeschäft der Banken, die sich für unterschiedliche Banktypen sehr unterschiedlich präsentieren. Davon abgeleitet entwickeln wir strategische Notwendigkeiten und erfolgreiche Umsetzungsstrategien für Regionalbanken.

2. Zahlen, Fakten und analytische Grundlagen 

Exakte empirische Daten über Einkommens-, Sparquoten- und Vermögensverteilungen in Deutschland sind derzeit nicht vorhanden, sodass man zur Durchdringung des gesamten Themenkomplexes mehrere Datenquellen heranziehen und sinnvoll kombinieren muss. Die beste empirische Basis bildet dabei das sozio-ökonomische Panel (SOEP), das seit 1984 in Deutschland durch das DIW Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin durchgeführt wird. Dabei handelt es sich um eine breite und repräsentative Befragung, mit der die objektiven Lebensbedingungen und die subjektiv wahrgenommene Lebensqualität erhoben werden. Ähnliche Untersuchungen existieren auch in Österreich und anderen europäischen Ländern. Diese Erhebungen weisen allerdings zwei Problembereiche auf, die man entsprechend berücksichtigen muss. Eine erste Schwierigkeit ist es, dass in Mitteleuropa – anders als in den USA – Auskünfte zu den individuellen Einkommensund Vermögenssituationen oft mit Vorbehalten behaftet sind, und daher nicht immer den tatsächlichen Bedingungen entsprechen. Das wirkt sich vor allem in den höheren Einkommens- und Vermögensschichten aus, die tendenziell zu tief angegeben werden. Die zweite Schwierigkeit liegt darin, dass gerade der Bereich der sehr vermögenden Haushalte durch solche Befragungen nicht erfasst wird, was sich wiederum in verzerrenden Ergebnissen auswirkt. Der Grund ist sehr einfach: Die Oetkers, Albrechts und Quandts dieser Welt nehmen an solchen Umfragepaneln nicht teil.
Um diese Mängel zu korrigieren und auch zu quantifizieren, können diese empirisch erhobenen Verteilungen mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) verglichen werden. Die von der Bundesbank erhobenen und berechneten Daten stellen den wirklichen Wert der Vermögen dar. Dieser entspricht im Bereich des Geldvermögens den von den Banken gemeldeten Zahlen. Eine Hochrechnung zeigt, dass seitens der Befragungen ca. 40 % des Geldvermögens nicht erfasst ist. Dieses ist jedenfalls in die höheren Schichten zu verteilen. Dazu hat die CONFIDUM ein Modell entwickelt, das im Wesentlichen auf Verteilungen bei Banken unterschiedlicher Positionierungen beruht. Diese Verteilungen wurden zusätzlich noch mit weiteren Datengrundlagen (Verteilungen von Staaten mit Vermögensbesteuerung, Forbes-Listen etc.) validiert.

3. Verteilung von Einkommen und Sparquote

Das Volkseinkommen 2012 setzt sich in Deutschland aus 1.378 Mrd. EUR an Arbeitnehmerentgelten und 678 Mrd. EUR an Unternehmens- und Vermögenseinkommen zusammen. Von den gesamten 2.056 Mrd. EUR entfallen dabei ca. 53 % auf die zwei letzten Dezile. Das heisst, dass mehr als die Hälfte des gesamten Volkseinkommens von 20 % der Haushalte erzielt wird. Umgekehrt verdient die Hälfte aller Haushalte nur 20 % des Volkseinkommens. Auch in absoluten Werten sind die Unterschiede eklatant: Das Durchschnittseinkommen der einkommensstärksten zwei Dezilen bemisst sich bei EUR 133.000 pro Haushalt, während es bei den unteren 50% nur noch ca. 21.000 EUR sind – der Unterschied entspricht einem Faktor von 6,5.