Nachdem die von den Banken herbeigesehnte und vielfach prognostizierte
Zinswende ausgeblieben ist, setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch in Europa langfristig „japanische Verhältnisse“ vorherrschen werden. Die jüngsten Entscheidungen der EZB, aber auch der amerikanischen Notenbank bringen wohl auf Dauer einen negativen Leitzins. In Japan bewegen sich die Zinssätze seit dem Ende der 1990er Jahre in der Nähe der Null‐Linie, nachdem die Bank of Japan schon 1990 als Antwort auf den Aktiencrash und die Immobilienkrise begonnen hatte, die Zinsen zur Konjunkturstützung innerhalb von 5 Jahren von ca. 6 % auf 0,5 % zu senken. Um die Auswirkungen der Niedrigzinsen auf die deutschen Regionalbanken abzuschätzen, ist ein Blick auf die japanische Bankenlandschaft ein hilfreiches Beispiel, wirksame Strategien zu entwickeln. Dabei sind allerdings auch einige Unterschiede zu berücksichtigen. Das betrifft zum einen das ökonomische Umfeld, das in Japan schon stark von einem Bevölkerungsrückgang betroffen ist und einer schwachen Kreditnachfrage, die wenig Wachstum im inländischen Markt erlaubt. Zusätzlich kommt die japanische Kreditwirtschaft aus einem sehr protektionistischen Umfeld, das erst in den letzten 10 Jahren liberalisiert worden ist.
Das japanische Bankensystem weist einige Ähnlichkeiten mit dem deutschen Bankensystem auf: In beiden Ländern gibt es Großbanken, die weitreichende internationale Geschäftsaktivitäten umfassen. Diese werden durch mehrere Gruppen von Regionalbanken ergänzt, die in Kombination mit dem Privatkundengeschäft vor allem die regionale und mittelständische Wirtschaft finanzieren und stark öffentlich und genossenschaftlich geprägt sind. Entsprechend unterschiedlich sind auch die Auswirkungen und Reaktionen der Bankengruppen auf die anhaltenden Tiefzinsen ausgefallen:
Aufgrund der Fristentransformation und der deutlich längeren Zinsbindung auf der Aktivseite sind in den ersten Jahren der Tiefzinsphase die Nettozinsspannen angestiegen und haben die Profitabilität der japanischen Banken erhöht – dasselbe kann man auch in Deutschland beobachten. Die zurückliegenden Rekordergebnisse der deutschen Regionalbanken sind vor allem ein Resultat der europäischen Zinspolitik in Kombination mit der typischen, von einer langen Aktivseite geprägten Bilanzstruktur – mit überlegenen Geschäftsmodellen hat das wenig zu tun. Damit wurde aber die Basis geschaffen, das Kernkapital auszubauen und eine expansive Kreditstrategie zu verfolgen.
Nach ca. 10 Jahren sind dann die japanischen Zinsspannen immer stärker abgesunken und auch der absolute Zinsüberschuss hat, bedingt durch die geringe Kreditnachfrage, stagniert. Das ist in der Folge weiter verstärkt worden: Der intensive Wettbewerb hat zusätzlich zum sinken‐den Basiszins die Margen stark beeinträchtigt. Aktuell liegen die Nettozinsspannen der Regionalbanken bei 90 BP der Bilanzsumme und haben sich auf diesem Niveau stabilisiert. In Deutschland hat die Erosion der Zinsspanne auch schon sichtbar begonnen, aufgrund des Wirtschaftswachstums und den steigenden Immobilienpreisen und Investitionen konnte das absolute Zinsergebnis der VR‐Banken und der Sparkassen zuletzt aber durch eine expansive Kreditstrategie gehalten werden.
- Die Provisionseinnahmen konnten aufgrund des intensiven Wettbewerbs von den japanischen Banken nicht gesteigert werden–ihre Bedeutung hat zwar prozentuell zugenommen, das ist aber eine Folge der Erosion des Zinsergebnisses. Hier konnten die deutschen Institute aufgrund flächendeckender Preiserhöhungen im Zahlungsverkehr doch spürbare Steigerungen verzeichnen; ob dies angesichts der im Vormarsch befindlichen Direktbanken und Neo‐Banken ein Pyrrhus‐Sieg war, werden die nächsten Jahre zeigen. Aktuell wechseln aber immer mehr Kunden zu Anbietern, die gebührenfreie Kontomodelle auf digitaler Basis anbieten. Sollte sich dies weiter beschleunigen, so werden die Provisionserträge wieder erodieren.
- Die fehlende Kreditnachfrage wurde zunächst mit Investitionen in japanische Staatsanleihen kompensiert und die A‐Depots wurden kräftig ausgeweitet. Aufgrund der aktuellen Verzinsung ist diese Strategie nicht mehr rentabel und risikoadäquate Alternativen im Kreditgeschäft sind außerhalb der Ballungsräume Tokio, Kanagawa und Osaka nicht in Sicht. Ähnlich die Situation in Deutschland – Banken in den prosperierenden Ballungsräumen wie München oder Stuttgart profitieren von der regionalen Kreditnachfrage aus dem Immobilienbereich und der Realwirtschaft, in ländlichen Räumen und vor allem in den neuen Bundesländern leiden die Banken unter schlechten Loan/ eposit Ratios, die durch Anleihen im Depot A nicht mehr risikoadäquat auszugleichen sind. An dieser Stelle spielen die Finanzierungsplattformen – derzeit noch vor allem in der Hypothekarfinanzierung eine immer wichtigere Rolle zur Generierung von Zinserträgen. In Summe führt diese Entwicklung aber zu einem Margenverfall, der sämtliche Regionen trifft und das Zinsergebnis aller Banken beeinträchtigt.
- Die japanischen Großbanken und auch die großen Regionalbanken sind ins Ausland expandiert und haben damit das Geschäft stark diversifiziert. Diese Möglichkeiten stehen aber den meisten Regionalbanken und Genossenschaftsbanken nicht zur Verfügung. Diese haben im Geschäftsmodell nur die Möglichkeit im Verdrängungswettbewerb.